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19.09.2004

Laura Gallati, präpariertes und unpräpariertes Klavier spielt Sonatas von John Cage und Domenico Scarlatti —

Sonatas im Dialog

Beide schrieben Sonaten, einsätzig und zweiteilig, beide brachten ihrer Zeit einen neuen Instrumentalton und einen neuen Schönheitsbegriff – emanzipative, freigelassene Musik. Bei Scarlatti entsteht ein Dialog der Stimmen durch kreisende, bestätigende Wiederholungen und Echos als Zusicherung, daß man sich einig ist. Bei Cage gibt es diesen Dialog nicht. Dialog taucht auf als Pausen, die dem Hören des Nachklangs Raum geben. Die Hörer werden zum Resonanzboden, in deren Köpfen sich die Klänge vervielfältigen und diversifizieren. Die Musik ist nicht mehr ein und dasselbe. Scarlatti hat einen gesanglichen, leidenschaftlichen, subjektiven „Ton“ in die Musik seiner Zeit gebracht, Cage wollte die Musik gerade entemotionalisieren; Scarlatti wollte vom Cembalo weg auf die einnehmende Klangfülle des (späteren) Klaviertons hinaus; Cage nahm dem Klavier gerade diesen typischen Ton, demontierte den Flügel, ließ ihn scheppern, metallisch, hölzern, perkussiv oder cembaloähnlich werden. Für ihn war gerade der geltende Schönheitsbegriff repressiv und konventionell geworden. Scarlatti bewegte sich zu einem Ort hin, von dem Cage sich wegbewegt: Inscenierung der Begegnung zwischen einem historischen und einen zeitgenössischen Werk, die erst einen Dialog zwischen ihnen entstehen läßt, wenn sie etwas miteinander zu tun bekommen. Das kann nur eine Interpretation leisten, die mit einem eigenen Verstehensversuch den Dialog stiftet und anstiftet.

CAGE: Sonatas I, II, III, IV / SCARLATTI: Sonatas XLIII g-moll, LVI d-moll / CAGE: Sonatas V,VII, VIII / SCARLATTI: XIX c-moll, XI C-dur / CAGE: Sonatas IX, X, XI, XII ( SCARLATTI: Sonatas XXV E.dur, XXXVII e-moll / CAGE: Sonatas XIII, XIV, XV / SCARLATTI: Sonata IX a-moll / CAGE: Sonata XVI / SCARLATTI: Sonata IV d-moll

LAURA GALLATI, Klavier