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27.06.2010

Heidi von Plato — Antigones Begehren

...„dem Unglück sich zu beugen weiss sie nicht“

Was ist seit 2000 Jahren faszinierend an der Tragödie der ANTIGONE von Sophokles, einer Aussenseiterin, die ihren im Krieg gefallenen Bruder bestattet und damit gegen ein staatliches Verbot verstößt? Ist das zentrale Thema der Antigone die Widerständigkeit gegen staatliche Willkür, zeigen sich in ihrem Begehren zivilisationsfeindliche Tendenzen, da sie im Namen der Blutsverwandtschaft handelt? Gegenüber dieser Lesart konzentrieren sich Psychoanalytiker auf das familiale Trauma von Antigone – Tochter von Oedipus – , das sowohl ihre Widerstandskraft gegen patriarchalen Normen als auch ihre Todessehnsucht bestimmt. Judith Butler dekonstruiert den Gegensatz zwischen Staatsmacht und Verwandtschaft und betont die soziale Deformation von Staat und Familie. Diese Tragödie entstand in einer Zeit, in der Frauen über keine politischen Funktionen verfügten. Antigone, die sich öffentlich zur Wehr setzt, wird vom Machthaber Kreon als männlich gebrandmarkt, sie provozierte seine Angst, als weiblich zu gelten – ein Skandalon. Dieser Beitrag setzt sich auseinander mit Hegels staatstragender Lektüre, dem religionswissenschaftlichen Ansatz von Klaus Heinrich, dem psychoanalytischen Zugang von Hermann Beland, den kultur-wissenschaftlichen Diskurs von George Steiner und den subversiven Gedanken von Judith Butler.

Heidi von Plato: Studium der Psychologie, Germanistik und Philosophie an der FU Berlin, wissenschaftliche Assistentin für Kunstpsychologie an der HdK Berlin, Dramaturgin an verschiedenen Theatern. Seit 1990 freie Schriftstellerin – erzählerische Werke, Hörspiele, Theaterstücke.