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17.06.2018

Christina Thürmer-Rohr & Laura Gallati — Fremdheit und Sterblichkeit, Teil 2

Anfangen und Aufhören. Sterblichkeit und Nicht-Wissen. Spuren.

Vergänglichkeit

Laura Gallati / Luigi Nono „MOUCHES VOLANTES ET „…SOFFERTE ONDE SERENE…“ : (1976 / 2018)
Christina Thürmer-Rohr: STERBLICHKEIT UND NICHT-WISSEN
Laura Gallati / Christina Thürmer-Rohr: W.A.MOZART: MAURISCHE TRAUERMUSIK für zwei Klaviere (KV 546)

Der Mut zum Anfangen braucht auch den Mut zum Ende. Dass wir eine Zeitlang da sind, um wieder zu verschwinden bleibt ein unlösbares Rätsel.

Auch die Philosophie versagt, wenn sie Trost spenden soll. Ins Nachdenken über unsere Vergänglichkeit ziehen Zweifel ein: wissen, dass der Tod
kommt und nicht wissen, was der Tod bringt; sich gegen die Vergänglichkeit auflehnen und sie doch anerkennen; den Tod ins Leben holen und
doch das Leben bejahten. Mit diesen Widersprüchen werden wir schwer fertig.Wir versuchen, den Widerspruch zu mildern und uns an Auswege
zu klammern – oder auch den Widerspruch ganz auszublenden, so als gäbe es nur das Leben und hätten Leben und Tod nichts miteinander zu tun.

Die Tatsache der Vergänglichkeit steht in Kontrast zu Konzepten, die den Höhepunkten des Lebens entstammen – dem Anfangen, der Ansiedlung
in der Welt, den Inspirationen der Fremdheit. Was bleibt von diesen Gedanken, wenn wir uns der Vergänglichkeit bewusst werden? Menschenwürdige
Antworten auf die Begrenztheit unserer Existenz liegen im Nicht-Wissen, diesem grossen Fragezeichen. Das Nicht-Wissen zugeben und in etwas
einwilligen, das nicht zu verstehen und nicht zu ändern ist: das ist eine Absage an Herrschaft.

Luigi Nonos Klavierstück “…sofferte onde serene” für Pianoforte besteht aus zwei übereinander gelegten Ebenen: eine real zu spielende Klavierpartitur
und eine zeitversetzt-verzerrte Schattenstimme ab Tonband. Diese Stimme dient “Mouches Volantes” als Matritze, um mit fliegenden Punkten, Klumpen,
Schleiern, Irrlichtern, Verfärbungen Nonos Klangphänomene des Wellenschlages zu konfrontieren mit der nervösen Insistenz fliegender Mücken – ein
Experiment mit offenem Ausgang. – Auch Mozarts Maurische Trauermusik spricht keine Sprache der Herrschaft.